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Welt-Gesundheitsgipfel

Weltgesundheitsgipfel: Erwartungen der Zivilgesellschaft und Wissenschaft an internationale Führungsspitzen

Seit mehr als einem Jahr wird die Welt von einer verheerenden Pandemie überschattet – ein Ende scheint noch weit entfernt zu sein. Im Vorfeld des Weltgesundheitsgipfels wurde im Rahmen umfangreicher Konsultationen zwischen der Kommission und dem italienischen G20-Vorsitz sowie der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft erörtert, wie im puncto Gesundheitssicherheit nachhaltig vorgesorgt und reagiert werden kann und wie globale Gesundheitskrisen künftig verhindert werden können. Einige Kernpunkte sind:

 

  1. Anerkennung des Rechts auf universelle Gesundheitsversorgung

Alle Menschen haben das Recht auf Gesundheit! Daher müssen Krisenbereitschafts- und Reaktionspläne Maßnahmen beinhalten, die allen Menschen erschwingliche und hochwertige Gesundheitsdienste und Medizinprodukte gewährleisten. Vertreter der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft empfehlen, einen besonderen Fokus auf die Gesundheit von Frauen und Mädchen sowie schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen zu legen, unter anderem auf ältere und junge Menschen, Migrant(inn)en, Flüchtlinge, die LGBTQI-Gemeinschaft oder HIV-infizierte Menschen.

  1. Förderung des Konzepts „Eine Gesundheit“

Die Entwicklung und die Ausbreitung von Pandemien können von unterschiedlichen Faktoren begünstigt werden: von Umweltveränderungen über Bevölkerungsbewegungen bis hin zu von Tier auf Mensch übertragbare Krankheiten. Zivilgesellschaft und Wissenschaft empfehlen daher bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Maßnahmen auf allen Ebenen. Darüber hinaus ist eine stärkere Abstimmung mit internationalen Gremien wie der Weltgesundheitsorganisation nötig, um Gesundheitssysteme besser koordinieren und unterstützen zu können.

  1. Fairer Zugang zu medizinischer Ausrüstung zur Bekämpfung von COVID-19

Für die Wissenschaft ist ein fairer Zugang zu Impfstoffen und anderen medizinischen Möglichkeiten (Diagnostik, Arzneimittel und Sauerstoff) die oberste Priorität. Tests und Behandlungen sollen ausgeweitet und die schnelle Entwicklung von Impfstoffen der nächsten Generation sowie sicherer und wirksamer Therapien für alle Stadien einer Corona-Erkrankung – auch für langwierige Verläufe („Long-Covid“) – gefördert werden.

  1. Investitionen in Forschung und Entwicklung vor, während und zwischen Gesundheitskrisen

Forschung und Innovation sind Hoffnungsträger in der Corona-Krisenreaktion. Die Wissenschaft empfiehlt, die Forschung zu leicht einsetzbaren und erschwinglichen Therapeutika, Impfstoffen und Diagnosetechnologien und -plattformen zu beschleunigen. Die rasche Entwicklung wirksamer Impfstoffe gegen alle relevanten Virusvarianten und eines universellen Impfstoffes steht an erster Stelle.

  1. Stärkere Krankheitsüberwachung, Datenerhebung, -analyse und -weitergabe auf allen Ebenen

Die Coronakrise hat uns gezeigt, wie wichtig die frühzeitige Weitergabe von zuverlässigen Informationen über neu auftretende Ausbrüche sowie eine ständige Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Ländern und Regionen sind. Empfohlen wird daher die Stärkung der nationalen Kapazitäten für die Datenerhebung und -analyse sowie der Aufbau gut ausgestatteter globaler und regionaler Netze für die Überwachung von Krankheitserregern. Zudem ist es wichtig, den Lebensraum von Mensch und Tier sowie die Umwelt im Auge zu behalten, um potenzielle neue Pandemien frühzeitig erkennen zu können. Ein rascher Austausch von Daten und Informationen über Ausbrüche und andere Gesundheitsprobleme ist hierbei essenziell.

  1. Stärkung und Schutz der wissenschaftlichen Beratung

Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für die Entwicklung einer soliden Gesundheitspolitik und von Eindämmungsmaßnahmen entscheidend. Es muss daher gewährleistet werden, dass Expert(inn)en und staatliche Beratungsgremien unabhängig agieren und dass eine Politisierung der Wissenschaft vermieden wird. Eine weitere Priorität sollte die Stärkung von Mechanismen zur zeitnahen Beratung in Krisenzeiten sein, um die Zeitspanne zwischen der Verfügbarkeit wissenschaftlicher Informationen und der Entscheidungsfindung so kurz wie möglich zu halten.

  1. Ausbau regionaler Produktionskapazitäten und -zentren

Seitens der Wissenschaft ist es unerlässlich, unverzüglich in globale Produktionskapazitäten zu investieren und die Produktion von Impfstoffen und anderen Arzneimitteln zu dezentralisieren. Nur mit erheblichen Investitionen können die regionalen Produktionskapazitäten erhöht und die Kosten gesenkt werden. Empfohlen wird zudem die Entwicklung geeigneter Modelle für freiwillige Lizenzen, Patente und Technologietransfer. So können die Kapazitäten für die dezentrale Produktion von Impfstoffen und Therapeutika in gesundheitlichen Notsituationen ausgebaut werden.

  1. Langfristige Investitionen in die Pandemievorsorge

Die Zivilgesellschaft empfiehlt die Einrichtung eines globalen Fonds zur Vorbereitung auf Pandemien. Dafür sollten die Länder bis zu 5 % ihres BIP in das Gesundheitswesen investieren. Angesichts der Ungleichheiten bei der Durchimpfungsrate und der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie empfehlen Zivilgesellschaft und Wissenschaft, Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu unterstützen.

  1. Mehr Koordinierung und Engagement der Geldgeber

Die Bereitstellung von Impfstoffen und das Erreichen einer weltweiten Durchimpfungsrate von mindestens 70 % erfordern weitreichende Investitionen. Daher sollten die Mittel aufgestockt werden, um das Ziel von 0,7 % des BIP zu erreichen. Im Hinblick auf einen möglichen internationalen Pandemievertrag schlägt die Zivilgesellschaft neue Zusagen und Verpflichtungen vor, um parallele Absprachen zu vermeiden und Geberkohärenz sicherzustellen.

  1. Investitionen in die Stärkung der Gesundheitssysteme

Seitens der Zivilgesellschaft ist eine langfristige Krisenfestigkeit wesentlich – nicht nur, um auf künftige Pandemien reagieren zu können, sondern auch zum Schutz bisheriger Erkenntnisse wie erfolgreicher Forschungsergebnisse und der Behandlung von HIV, Tuberkulose und Malaria. Kurzfristige Investitionen sollten die Impfstoffauslieferung antreiben und einen Teil der Kosten decken, die auf das Fünffache der Kosten einer Dosis geschätzt werden und derzeit unter COVAX nicht abgedeckt sind.

Zivilgesellschaft und Wissenschaft empfehlen längerfristige Investitionen, um die gesamten Gesundheitssysteme zu stärken. Die Wissenschaft schlägt zudem vor, Schulungsprogramme zu fördern und regelmäßig Simulationsübungen durchzuführen, um Wissen und Kompetenzen des Gesundheitspersonals in allen Ländern auszubauen und sie besser für künftige Pandemien zu rüsten.

  1. Gesundheit als globales öffentliches Gut und Reform des Welthandels

Gesundheit sollte als globales öffentliches Gut anerkannt werden, und die Länder sollten dringend die derzeitigen internationalen Handelsabkommen reformieren. So können Anreize und Sanktionen aufgenommen und Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei der Beschaffung von Corona-Produkten unterstützt werden. Die Regierungen sollten auch ihre Versprechen zur gemeinsamen Nutzung von Impfstoffen einhalten und kein Land zurücklassen.

  1. Einbeziehung der Lokalbevölkerung und Zivilgesellschaft in Entscheidungen

Um internationale Lösungen zu verwirklichen, müssen wir auf regionaler Ebene ansetzen. Während die Koordinierung der Bereitschafts- und Reaktionsplanung für Pandemien auf globaler Ebene erfolgen muss, bedarf es auch einer lokalen Eigenverantwortung – mit der Zivilgesellschaft als Schlüsselelement. Daher ist die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft in den Prozess des Weltgesundheitsgipfels und darüber hinaus notwendig und zentral. Auch die Wissenschaft hält eine transparente Kommunikation mit der Öffentlichkeit für wichtig, beispielsweise indem Wissenschafts- und Impfskepsis ausgeräumt und wissenschaftliche Fakten weit verbreitet werden.

  1. Bestmögliche Nutzung der Digitalisierung

Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass es bei den Ländern große Unterschiede in puncto Digitalisierung gibt. In einer globalen Gesundheitskrise gilt: Wissen ist Macht. Investitionen in die Digitalisierung im Gesundheitswesen erfordern kohärente und interoperable Systeme, die die Überwachung und Entscheidungsfindung auf globaler und nationaler Ebene erleichtern und gleichzeitig eine solide und auf den Menschen ausgerichtete Datenverwaltung innerhalb der einzelnen Länder und den Datenaustausch zwischen den Ländern gewährleisten.

Zivilgesellschaft sowie Wissenschaft empfehlen daher Investitionen in digitale Innovationen und Infrastruktur, Datenwissenschaft, künstliche Intelligenz sowie in Modellierung und Prognose.

 

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Konsultation zum Weltgesundheitsgipfel: wichtigste Empfehlungen der Zivilgesellschaft

Bericht des Wissenschaftlichen Expertengremiums zum Weltgesundheitsgipfel